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„Ich habe in Frieden damit abgeschlossen“

BEWEGEND Bürgerreise des Verschwisterungsvereins nach Bruntal bedeutet für viele Vertriebene ein Wiedersehen mit der alten Heimat

Wiedersehen mit der alten Heimat und Erkundung der Region um den Altvater: die Reisegruppe vor dem Kurpavillon mit eisenhaltiger Quelle in Karlova Studanka (Bad Karlsbrunn).

(red). Eine fünftägige Reise des Büdinger Verschwisterungsvereins in die tschechische Partnerstadt Bruntal festigte zum einen Freundschaften zwischen Menschen beider Städte, zum anderen bedeutete sie für etliche Teilnehmer aus Büdingen und der Region auch ein Wiedersehen mit der alten Heimat. Denn die meisten Mitfahrer haben ihre Wurzeln in der Region des Altvatergebirges und rund um Bruntal und waren als Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg nach Westdeutschland gekommen.

So gehörte ein Ausflug in das Altvatergebirge mit dem 1491 Meter hohen Altvater und der Besichtigung der ehemaligen Städte Jägerndorf, Zuckmantel, Freiwaldau, Bad Karlsbrunn und Würbentthal ebenso zum Programm wie der Besuch der Städte Olmütz, Mährisch-Schönberg und Römerstadt. Reiseleiterinnen waren Jana Haberland und Heidi Schlösser vom Vorstand des Verschwisterungsvereins. Sie hatten auf der Hinfahrt mit einem Ratespiel zu den Partnerstädten der Gemeinden der Teilnehmer für Kurzweil und Wissensaustausch gesorgt. Die Hinreise führte über Dresden, dessen Schönheit nach dem Wiederaufbau während einer Stadtrundfahrt offenkundig wurde. Mit einem offiziellen Empfang wurde die 35-köpfige Gruppe im Bruntaler Rathaus willkommen geheißen. Wegen des Regens wurde eine geplante Stadtführung kurzerhand zu einer Schlossführung umgestaltet.

Die Möglichkeit, auf eigene Faust in ihre Heimatdörfer zu fahren, nutzten etliche Teilnehmer. Zwei Frauen aus Altenstadt besuchten den Ort, aus dem sie 1946 vertrieben worden waren. Sie fanden sowohl das Hofgut, heute ein Hotel, als auch ein Wohnhaus, wurden herzlich im Hotel empfangen und herumgeführt. Glücklich kehrten sie zur Reisegruppe zurück. „Ich habe unser früheres Haus noch einmal gesehen und habe jetzt in Frieden damit abgeschlossen!“, berichtete eine der beiden Altenstädterinnen. Ein Wächtersbacher traf zwei tschechische Neffen und ihre Familien. Weitere Gäste besuchten im Altvatergebirge ihre früheren Häuser und wurden bis auf einen Mann aus Brachttal fündig. Dieser berichtete, dass er sich „nur noch das Gras anschauen konnte, dort, wo einst die beiden Häuser, die gepachtete Mühle und das Sägewerk standen“.

Eine Tour durch das Altvatergebirge unternahmen die Hessen gemeinsam mit Bruntaler Freunden. Der Praded (Altvater) versteckte sich zwar hinter Nebel und Regen, doch trotzdem hatte die Fahrt ihren Reiz. Sehenswert war neben Sumperk (Mährisch Schönberg) das kleine Kurstädtchen Karlova Studanka (Bad Karlsbrunn) mit seinen architektonisch interessanten Kurhäusern aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Am folgenden Tag war die Gruppe begeistert von Olomouc (Olmütz), der liebevollen Sanierung und dem Wiener Flair der sechstgrößten Stadt Tschechiens. Mehr als 200 Objekte stehen hier unter Denkmalschutz. Außerdem standen Rymarov (Römerstadt) und eine Einladung der Freunde aus Bruntal zum Indian Summer Festival sowie die Auflösung des Ratespiels mit Verleihung der Preise, die die Stadt Büdingen gestiftet hatte, auf dem Programm.

Auf der Rückreise genoss die Gruppe während eines Aufenthaltes in Prag einen Blick auf die goldene Stadt. Heidi Schlösser, stellvertretende Vorsitzende des Verschwisterungsvereins, resümiert: „Die erste Bürgerreise nach Bruntal war ein voller Erfolg. Das ursprüngliche Ziel, Freundschaften aufzubauen und zu intensivieren, wurde zwar umgesetzt, rückte jedoch in den Hintergrund angesichts der Emotionen und Erlebnisse einiger Reisegäste, die in ihrer Kindheit aus ihrer Heimat vertrieben wurden und Frieden mit den Umständen in ihrer alten Heimat geschlossen haben.“

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